Selbstliebe und Hochsensibilität

Hast du dich schon mal mit dem Thema Hochsensibilität beschäftigt? Wenn du das Gefühl hast, dass du auf manche Sinneseindrücke sehr intensiv reagierst, seien es Geräusche, Gerüche, Temperaturen, das Verhalten anderer Menschen, kann es sein, dass du in die Gruppe der mit Hochsensibilität beschenkten Menschen gehörst.

Ich möchte hier keinen Artikel über Hochsensibilität schreiben. Dazu gibt es tolle Bücher. Mein absolutes Lieblingsbuch dazu ist von Georg Parlow Zart besaitet: Selbstverständnis, Selbstachtung und Selbsthilfe für hochsensible Menschen. Ich möchte beschreiben, wie sich die Hochsensibilität im Alltag zeigen kann und wie es mit Selbstliebe gelingt, trotz herausfordernder Situationen eine schöne Zeit zu verbringen. 

Letztes Wochenende bin ich mit einem guten Freund nach Nürnberg gefahren. Er ist Gitarrenvernarrt und wollte sich in einem altehrwürdigen Laden einige Gitarren ansehen. Am gleichen Abend sollte in der Stadt die Blaue Nacht stattfinden. Also beschlossen wir, uns einen schönen Tag mit Gitarren und Kultur zu machen. Damit auch die Reise entspannt verläuft, entschieden wir uns für eine Fahrt mit der Bahn.

Unser Ausflug begann, als wir mittags in den Regionalzug stiegen und uns auf eine beschauliche zweistündige Fahrt nach Nürnberg freuten. Nach wenigen Minuten – der Zug war noch nicht mal losgefahren, vernahmen wir vom Ende des Abteils lautstarkes Stimmengetöse einer Reisegruppe, die sich dort mit einem Picknick ausbreitete und sich über mehrere Sitzreihen hinweg anschrie. Schnell war klar, dass wir hier nicht bleiben wollten. Waggon gewechselt, alles gut. Bis kurz vor Abfahrt des Zuges eine Horde Frauen einstieg, die es schön fand, ihren Junggesellinnen Abschied im Zug zu feiern.

Die Frauen waren alle in die gleichen T-Shirts gekleidet, auf denen “Team Braut” stand, trugen Schärpen und eine davon eine Art Schleier Attrappe. Du wirst später verstehen, warum ich das so ausführlich beschreibe. Wir wurden gebeten, Schnaps, Kondome und andere Dinge zu kaufen. Die Junggesellinnen waren schon reichlich betrunken und mit absoluter Zielsicherheit trafen sie auf die andere Gruppe im Waggon nebenan. Ich finde es schön, wenn Leute zusammen lachen und feiern. Ich habe auch nichts gegen Alkohol. Was ich blöd finde ist, wenn Leute betrunken durch die Gegend laufen und sich benehmen, als wären sie allein auf der Welt. Ich muss über solche Begegnungen auch immer ganz schrecklich viel nachdenken, was sehr anstrengend ist und vielleicht auch von der Hochsensibilität kommt.

Wunderbare Atmosphäre

Die Zugfahrt ging vorüber, wir tranken erst mal einen Kaffee und machten uns auf den Weg zum Gitarrengeschäft. Dort war es super. Die Räume waren eng, verschachtelt und voll mit Kunden und Verkäufern. Das könnte für die Hochsensibilität ja eigentlich schwierig sein. Für mich ist aber nicht wichtig, ob es eng ist oder viele Menschen da sind, sondern wie die Atmosphäre ist. Und die war wunderbar.

Kein Grölen, kein merkwürdiges Verhalten. Obwohl ich dort immer wieder von einem Eck ins andere ausweichen musste, um Leute durchzulassen, hätte ich es ewig aushalten können. Da noch einige Stunden Zeit war, bis gegen 19 Uhr die blaue Nacht beginnen sollte, beschlossen wir, auf die Burg zu spazieren.

Das war sicherlich naiv, aber mit dieser Ansammlung von Menschen, die sich wie eine Shopping- und Sehenswürdigkeiten gierige Horde benahm, hatte ich nicht gerechnet. Ich versuchte, das Getümmel auszublenden. Es gelang mir zu Beginn ganz gut und wir konnten einem bezaubernden Puppenspieler zusehen.

Als wir zwischen verschiedenen Reisegruppen auf der Burg ankamen und den Ausblick genießen wollten, trafen wir auf die nächsten Karawanen von Junggesellinnen. Drei Gruppen mit Frauen in T-Shirts mit dem Aufdruck “Team Braut”, Schärpen, Schleier, Schnaps, Kondome. Du weißt schon. Zu Hause konnte ich es mir nicht verkneifen, das Zeug zu googeln. Kann man im Set kaufen. Ganz schön kreativ, die Mädels.

Diese Art von Gruppe begegnete uns an dem Tag über dreißig Mal. In unterschiedlichsten Trunkenheitsstadien. Manche baten die Leute, Zeug zu kaufen, manche wollten eine Unterschrift auf ihrem Arm oder einen einfach nur betrunken ansabbern. Ich will das gar nicht beurteilen, die können das machen, wie sie wollen. Für mich ist nur klar, dass ich nicht dabei sein möchte. Beim Verlassen der Burg war mir klar, dass ich mit unangenehmen Reizen so dermaßen überflutet war, dass ich nach Hause gefahren wäre, wäre ich alleine dort gewesen.

Der Freund, mit dem ich unterwegs war, hatte zum Glück Verständnis dafür, dass ich in diesem Getümmel nicht bleiben wollte und wir beschlossen, ein wenig abseits zu gehen und entdeckten aus der Ferne ein paar Liegestühle in einer Wiese. Beim Näherkommen stellte sich heraus, dass das eine zur Partyzone gestaltete Strandbar gigangtischen Ausmaßes war. Unzählige Bars, Musik aus Lautsprechern. Oh Mann, ich klinge wie eine grantige Großmutter. Glaube es oder nicht: ich feiere gerne. Aber 500 Liegestühle, eine Tonne Sand und Musik aus der Konserve macht doch keine gute Stimmung.

Finde deine Nische

Es ist nicht notwendig, mit seiner Hochsensibilität zu Hause zu bleiben und sich von allem fern zu halten. Wir sind dort geblieben und haben in einem hintersten Eck ein paar Liegestühle und gechillte Leute gefunden. Dort war es richtig schön. Wir saßen zwei Stunden in der Sonne, haben was Leckeres getrunken und uns toll unterhalten. Nachdem wir diese kleine Oase verlassen hatten, starteten wir einen erneuten Versuch, am allgemeinen Getümmel teilzuhaben. Die Leute drängelten, schoben und irgendwann rannten zwei kreischende Teenager an mir vorbei. Wenn ich alleine gewesen wäre, wäre ich zum Bahnhof gerannt.

Der überaus geduldige Freund bugsierte mich in einen Handwerkerhof. Dort waren zwar auch viele Leute unterwegs, aber es gab einen Biergarten mit ruhigen Tischen. Dort haben wir super lecker gegessen, ein tolles Bier getrunken und beschlossen, dass wir nicht mehr warten, bis Nürnberg und die Gäste komplett blau werden. Wir hatten unsere Nischen für einen schönen Tag gefunden und nahmen den Zug um halb acht. Zu früh für die anderen. Die Fahrt war still und beschaulich.

Alles Liebe

Sandra

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