Aber es ist doch deine Mutter

Obwohl ich als Kind das Leben mit meiner Mutter als unsicher, gefährlich und traumatisierend erlebt habe, konnte ich mit dieser Situation meinen Frieden schließen. Wie es dazu gekommen ist, erzähle ich dir im heutigen Blogbeitrag.

Das Verhältnis zu meiner Mutter blieb bis zu ihrem Tod im vergangenen Sommer schwierig. Das zuzugeben und mich damit zu zeigen, war oft schmerzhaft. Gerade in Therapie- oder Persönlichkeitsentwicklungskreisen bekam ich immer wieder Hinweise, was ich tun könne, um eine Versöhnung und damit eine funktionierende Beziehung zu meiner Mutter zu erlangen.

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Deine Mutter hat es bestimmt auch nicht leicht gehabt

„Sie hat es bestimmt auch nicht leicht gehabt.“ „Aber es ist doch deine Mutter.“ „Überprüfe mal alles, was du von deiner Mutter zu brauchen glaubst.“ sind bestimmt wohlgemeinte Ratschläge. Aber weshalb darf ich nicht sagen, dass ich zu meiner Mutter keinen oder keinen guten Kontakt habe, ohne dass jemand glaubt, hier müsse etwas getan werden?

Während meiner Ausbildung zum Coach für The Work of Byron Katie haben wir intensiv unsere Gedanken über Mutter und Vater überprüft. Über Wochen habe ich mit meiner Übungspartnerin Gedanken über meine Mutter betrachtet.

Dabei gab es eine Phase, in der es für mich so aussah, als lag es nur an meinen verkehrten Gedanken, an meiner verkehrten Einstellung als Kind, dass Gewalt, Missbrauch und Herabwürdigung geschehen konnten. Und dass ich dafür verantwortlich war.

Das war eine Zeit, in der ich etwas herbei oder weg worken wollte. Die Umkehrungen hinsichtlich der Gewalt, die meine Mutter an mir ausübte, waren leicht und heiter. Ich hatte den Eindruck, als hätte ich mich als Kind nur anders zu verhalten brauchen und bei uns zu Hause wäre es friedlich und freundlich zugegangen.

Geschichten von Kommilitoninnen, die durch das Worken die Beziehungen zu ihren Eltern deutlich verbessern konnten, befeuerten diese Annahme.

Ein schöner Nachmittag mit meiner Mutter war von kurzer Dauer

So habe ich in dieser Phase an Silvester vor drei Jahren meine Mutter mittags angerufen und gefragt, ob wir zusammen Kaffee trinken wollten. Sie wirkte zögerlich, stimmte aber zu. Ich fand den Nachmittag schön. Wir redeten viel und ich fühlte mich in gutem Kontakt mit ihr. Daher fragte ich, ob wir auch den Abend miteinander verbringen wollten. Sie war einverstanden.

Kurz nach dem Abendessen fragte meine Mutter „Haben dich deine Freunde sitzen lassen oder wieso bist du hier?“ Ich widerstand dem Impuls, mich angegriffen zu fühlen und nahm ihre Frage wörtlich.

Also antwortete ich, dass ich die Wahl hatte zwischen alleine zu Hause zu bleiben und mit Freunden auszugehen und dass für mich beides gut gepasst hätte. Und dass ich die spontane Idee gehabt hatte, sie zu besuchen.

Ich fühlte mich unwohl und nicht willkommen

Wie so oft gab es auf meine Antwort keine Reaktion, ihr Gesicht strahlte Unzufriedenheit aus, sie sprach nicht mehr mit mir. Ich fühlte mich unwohl und nicht willkommen, obwohl ich gefragt hatte, ob wir Zeit miteinander verbringen wollten und sie zugestimmt hatte.

Zu dieser Zeit glaubte ich, wenn ich die Umkehrungen aus den Works mit meiner Mutter leben würde, könnten wir miteinander zurechtkommen und sie würde mich lieben. Endlich.

Rückwirkend betrachtet war das ein weiterer vergeblicher Versuch, anders sein zu wollen, damit meine Mutter freundlich zu mir ist. Ich hatte geglaubt, mit der Work endlich einen Hebel gefunden zu haben, so zu sein, dass meine Mutter mich mag und gerne Kontakt mit mir hat.

Das ist nicht passiert. Im vergangenen August ist meine Mutter für mich überraschend gestorben. Ab diesem Zeitpunkt konnte ich die heftige Gemengelage an Gefühlen noch intensiver als bisher beobachten, die ich mein Leben lang mit ihr kannte.

Was ich in der Zeit des Abschiednehmens erkannt habe ist, dass es Beziehungen gibt, die nicht gut funktionieren und mir nicht guttun. Die Tatsache, dass ich meine stressigen Gedanken mit The Work oder anderen Möglichkeiten überprüfe, bedeutet doch nicht, dass ich in beschämenden, verletzenden oder anderweitig schädlichen Beziehungen verharren soll.

Rückblickend kann ich sagen, dass meine Mutter nichts dazu beitrug, in gutem Kontakt mit mir zu sein. Gleichzeitig beklagte sie sich darüber. Was ich auch versucht habe, es endete mit Demütigungen, Gemeinheiten, Verleumdung und Geringschätzung.

Ein Nein zu Komm-her-geh-weg-Beziehungen

Da kann es durchaus eine gute Idee sein, solch einem Menschen danke und nein zu sagen für sein Ansinnen, eine Komm-her-geh-weg-Beziehung mit mir haben zu wollen.

Was kann ich für mich und mein Leben tun? Mit der Work habe ich die Möglichkeit, Gedanken wie „Sie hätte anders sein sollen“ zu überprüfen. Womöglich finde ich dabei heraus, dass das nicht stimmt. Das war und ist mein Leben und das ist gut so. Wenn ich meine Gedanken über meine Mutter überprüfe, komme ich immer mehr zu mir. In meine Angelegenheiten, mein Leben heute.

Wie kann ich mir geben, was ich von meiner Mutter nicht bekommen habe?

Darauf habe ich Einfluss. Wie kann ich mir geben, was ich von meiner Mutter nicht bekommen habe? Wie kann ich mir ein Umfeld schaffen, in dem ich mich sicher und geborgen fühle und in dem ich gedeihen kann?

Der Gedanke, ich muss anders sein, um (für meine Mutter) liebenswert zu sein, kann untersucht werden. Bei meiner Mutter hat jahrzehntelang keine meiner Strategien funktioniert, für sie passend zu sein. Und es waren unzählige. Nichts an mir muss anders sein.

Es ist in Ordnung, eine Mutter, einen Vater oder einen anderen Menschen in deinem Leben zu haben, mit dem eine Beziehung nicht funktioniert, in der du Leid und Demütigung erfährst.

Und es ist nicht meine Angelegenheit, zu beurteilen, was für ein Mensch mein Gegenüber ist. Die für mich passenden Fragen sind: Wie will ich leben, welche Werte sind mir wichtig und mit welchen Menschen mag ich mich umgeben?

So kann ich lernen, dass das Universum ein freundlicher Ort ist. Dass andere Menschen nicht grundsätzlich eine Gefahr für mich darstellen. Und dass ich in Ordnung bin, auch wenn ich kein gutes Verhältnis zu meiner Mutter hatte. Genau mit dieser Situation kann ich meinen Frieden machen.

Nächste Woche hätte sie Geburtstag. Es wird mir eine Freude sein, ihr Blumen ans Grab zu bringen und ihr zu danken, dass sie mich auf die Welt gebracht hat.

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Bild von Gisela Merkuur klicke hier

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